Smart-City-Logistik

Martina Blum
Der wachsende Onlinehandel und die zunehmende Urbanisierung stellen die Logistikbranche und das städtische Verkehrssystem vor grosse Herausforderungen. In den kommenden Jahren wird sich der Druck verstärken – durch neue Angebote wie etwa Same-Day- oder Instant-Delivery (Lieferung gleichentags oder sofort). Dies führt zu häufigeren Zustellungen und kleineren Sendungsgrössen, was Verkehr und Umwelt zusätzlich belastet.
Im Bereich City-Logistik sind also neue Ansätze gefragt, die das System in eine nachhaltige Richtung lenken, nennen wir es mal Smart-City-Logistik. Wie könnte eine Smart-City-Logistik aussehen? Welche Kriterien müsste sie erfüllen? Diesen Überlegungen ging ich im Rahmen meiner Masterarbeit für den Studiengang "Executive MBA - Digital Transformation" an der Fachhochschule Graubünden nach. Ausgehend von den Bedürfnissen der Anspruchsgruppen - Kundinnen und Kunden, Logistik- und Handelsunternehmen sowie der Stadt - kristallisierten sich für alle Anspruchsgruppen drei wichtige Spannungsfelder heraus: der begrenzte Raum, der zunehmende Verkehr und der Klimaschutz. Daraus lassen sich die folgenden Smart-City-Logistik-Merkmale ableiten:​​​​​​
image-11383490-smart_city_spannungsfelder-c51ce.JPG
Spannungsfelder und Merkmale einer Smart-City-Logistik (eigene Darstellung aus: Blum Martina (2019). Smart-City-Logistik und mögliche Rolle des öffentlichen Verkehrs. Master Thesis, EMBA Digital Transformation, Fachhochschule Graubünden)
Die derzeitigen Smart-City-Ansätze lassen sich grob in die folgenden drei Kategorien einteilen:
1) Umweltfreundliche und autonome Auslieferung
2) Abholmodelle
3) Ganzheitliche Kooperationsansätze
Während die Auslieferung mit Elektrofahrzeugen statt mit fossil-betriebenen Fahrzeugen zwar dem Klimaschutz dient, wird aber weder die genutzte Fläche noch der Verkehr dadurch reduziert. Diese Lösung wäre also nur teilweise "smart". Einen Überblick über die "Smartness" der einzelnen City-Logistik-Ansätze gibt die folgende Abbildung
image-11383490-smart_city_spannungsfelder-c51ce.JPG

Darstellung des Zielbeitrags verschiedener Smart-City-Logistik-Ansätze (eigene Darstellung aus: Blum Martina (2019). Smart-City-Logistik und mögliche Rolle des öffentlichen Verkehrs. Master Thesis, EMBA Digital Transformation, Fachhochschule Graubünden)

Oftmals ist die Kombination verschiedener Ansätze erfolgsversprechend, z.B. die gemeinsame Nutzung eines sog. Mikro-Hubs durch die Paketdienstleistungsunternehmen, von wo aus die Feinverteilung auf der allerletzten Meile via Lastenfahrrad erfolgt. So gesehen in Berlin und bisher einmalig in der Branche:

Projekt KoMoDo Berlin

Berlin ist die erste Stadt, die ein dienstleisteroffenes Mikro-Hub-Modell umgesetzt hat. Beteiligt sind die fünf grössten KEP (Kurier-, Express- und Paketdienstleistungsunternehmen) Deutschlands. Voraussetzung für eine gemeinsame Nutzung des Umschlagplatzes im Prenzlauer Berg war, dass er von einer neutralen Gesellschaft betreiben wird und jeder KEP separat anliefern und verteilen kann (vergleich Bild unten). Das Projekt KoMoDo (Kooperative Nutzung von Mikro-Depots durch die Kurier-, Express-, und Paket-Branche für den nachhaltigen Einsatz von Lastenrädern in Berlin) gilt gem. Aussage der Beteiligten in ganz Deutschland als Modellprojekt für Mikro-Depots, siehe: https://www.komodo.berlin/

Ganzheitliche Kooperationsansätze schneiden am besten ab

Die ganzheitlichen Kooperationsansätze schneiden bezüglich der Smart-City-Merkmale am besten ab. Als Idealtypus einer Smart-City-Logistik gilt derzeit ein über das Gesamtsystem optimierter Ansatz, bestehend aus einer möglichst CO2-armen Anlieferung an einen stadtnahen City-Hub. Von dort soll die Verteilung neu zweistufig erfolgen: Zunächst wird die Ware möglichst CO2-arm und – falls sinnvoll – überbetrieblich gebündelt an Mikro-Hubs oder Abholstationen geliefert, wo die Kundschaft sie auf einem "sowieso"-Weg abholt. Oder die Ware wird emissionsfrei und flächeneffizient weiterverteilt.
Ein Musterbeispiel eines stadtnahen Umschlagplatzes hat vor zwei Jahren Basel gestartet:

City Hub Basel

In Basel hat im Frühjahr 2018 der Güterumschlagplatz auf dem Areal Güterbahnhof Wolf seinen Betrieb aufgenommen. Er "bietet den Logistikunternehmen die Möglichkeit, ihre Sendungen am Stadtrand zu bündeln und auf der letzten Meile mit stadtverträglichen Verkehrsmitteln wie beispielsweise dem Velo, dem Cargobike oder mit Elektro-Lieferfahrzeugen ans Ziel zu transportieren (https://www.mobilitaet.bs.ch/gesamtverkehr/verkehrskonzepte/gueterverkehrskonzept.html).
Die Abbildung unten zeigt schematisch das gesamte Güterverkehrskonzept mit dem City Hub im Zentrum, das dem Idealtypus des smarten City-Logistik-Konzepts schon sehr nahe kommt.

image-11395358-City-Hub_Basel-16790.JPG
Güterverkehrskonzept mit City-Hub und Mikro-Depots in Basel (eigene Darstellung; Design und Inhalt nach Olivieri Luca (2019) Güterverkehrskonzept Basel-Stadt. Mobilitätssalon 2019, Bern. Verfügbar unter https://mobilsalon.ch/programm/)

Nahe am Idealkonzept - doch noch gewisse Hürden zu überwinden

Einem unternehmensübergreifenden, stadtweiten Hub-Modell stehen derzeit noch gewisse Hürden entgegen: mangelnde Wirtschaftlichkeit und Bereitschaft eines kooperativen Vorgehens der Marktteilnehmenden sowie die Sicherung entsprechender Logistikflächen.
Mit verschärften Rahmenbedingungen für die Auslieferung auf der letzten Meile und dem rasanten Wandel, wird ein einzelnes Unternehmen bezüglich Effizienz mehr und mehr an Grenzen stossen. Kooperative oder koopetitive Lösungen werden künftig vermehrt in den Vordergrund rücken.

Fazit: Für eine wirklich nachhaltige und smarte City-Logistik, braucht es den Einbezug externer Kosten und das erfolgreiche Zusammenspiel aller Akteurinnen und Akteure​​​​​​​

Um die Weichen in Richtung Smart-City-Logistik zu stellen, braucht es einen Mix aus verschiedenen Instrumenten, Technologien und Distributionsmodellen. Digitalisierung ist Auslöser des Wandels und wird auch die Lösung unterstützen. Es sind allerdings nicht technologische Hürden, die bisher den Durchbruch von Smart-City-Logistik verhindert haben. Für einen spürbaren Richtungswechsel zentral ist vielmehr, dass die externen Kosten unseres Konsumverhaltens ins Preismodell einfliessen und dass alle Akteurinnen und Akteure erfolgreich zusammenspielen.
Quelle: Master Thesis, Executive MBA Digital Transformation Fachhochschule Graubünden. Smart-City-Logistik und die Rolle des öffentlichen Verkehrs. Martina Blum, 2019