Die Menschen stehen im Zentrum der digitalen Transformation

Martina Blum
Was ist gemeint mit digitaler Transformation? Weil ich derzeit einen Executive MBA in Digital Transformation an der FH Graubünden mache, werde ich das oft gefragt. Die Antworten, die wir im Kurs erhalten, sind vielfältig. Sie reichen von Prozessoptimierung, über Technologietrends bis zu digitalen Geschäftsmodellen. Was ich aber nach einem halben Jahr Ausbildung sagen kann, ist, dass digitale Transformation – so technisch es
klingt – auch ganz viel mit sozialer Transformation zu tun hat. Empathie ist ein wichtiges Element, das immer wieder vorkommt. Früher oder später geht es immer darum, was uns Menschen noch von der künstlichen Intelligenz unterscheiden wird.
Meine Einschätzung ist, dass Offline-Kompetenzen und Offline-Netzwerke an Bedeutung zunehmen werden.

Die digitale Transformation hat viel mit Veränderung und Veränderungsbereitschaft zu tun. Anders ausgedrückt braucht die digitaleTransformation Technik.  Soll sie aber zum Erfolg werden, muss der Mensch im Zentrum stehen. Das Tempo der Veränderung nimmt dabei stetig oder sogar exponentiell zu. Ein Stichwort, das in fast allen Lektionen fällt, ist VUCA – die Welt, in der wir leben. VUCA steht für Volatility (Unbeständigkeit), Uncertainty (Ungewissheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit). Praktisch heisst das, dass vieles nicht mehr so planbar ist, wie wir das gewohnt waren. Neue Technologien setzen sich schneller durch als früher, und wir brauchen neue, agilere Arbeitsmethoden.

Für meine Masterarbeit beschäftige ich mich gerade mit der Frage, wie die Güterlogistik in einer «Smart City» organisiert und umgesetzt werden könnte. Als Umweltingenieurin komme ich zum Schluss, dass die derzeitige Logistikpraxis nicht nachhaltig ist, schon gar nicht mit Blick auf das stetig wachsende Warenangebot im Internet. Wir alle bestellen online immer mehr Dinge und wollen unser Päckchen möglichst rasch bis zur Haustür oder auf Wunsch auch an einen anderen Ort geliefert haben. Gleichzeitig demonstrieren junge Menschen für den Klimaschutz und fordern, dass die Städte Massnahmen gegen den Klimawandel ergreifen und die Treibhausgasemissionen eingedämmt werden.

Die heutige Logistikpraxis basiert jedoch auf fossil betriebenen Lieferfahrzeugen und einer Vielzahl von Logistikfirmen. Nun könnten wir argumentieren, dass die Firmen ihre Routen aus wirtschaftlichem Interesse bestens optimiert haben und durch die Heimlieferung private Autofahrten zum Einkaufszentrum eingespart werden. Die Rede ist von einem Nullsummenspiel, das nicht nachhaltig ist. Neuere Ansätze suchen eine Lösung mit lokalen Umschlagplätzen,
sogenannten Micro-Hubs, von wo aus die Waren umweltfreundlich mit dem Lastenvelo zum Bestimmungsort transportiert werden. Kommen noch die digitale Tourenintelligenz und die
Bereitschaft dazu, die Sendungen der verschiedenen Logistikunternehmen zu bündeln und gesammelt auszuliefern, sind wir der Nachhaltigkeit wieder ein Stück näher. Denn wie
mit der digitalen Transformation ist es auch mit der Nachhaltigkeit: sie ist ein laufender Prozess.

Meine Masterarbeit im nächsten Blog: Smart-City-Logistik​​​​​​​

publiziert in SVIN News Nr. 49 (2019) - dem Magazin der Schweizerischen Vereinigung der Ingenieurinnen